Chaos in der Ordnung: warum wir den unabhängigen Film brauchen

Die spannenden neuen Filmpositionen bringt das Independent-Kino. Klingt wie eine Binsenweisheit, birgt aber doch auch viel Wahres. Wo wenn nicht unter der Ägide eines freien Produzenten, ohne Redaktion oder Sender im Rücken, können neue Ideen und Filmvisionen so liberal und zügellos umgesetzt werden? Die Antwort - ganz klar rein rhetorisch!

 

Aber natürlich: in wirtschaftsschwachen Zeiten, in einer prekären Kreativwirtschaft, in der nicht die guten Drehbücher im Vordergrund stehen, sondern die Beziehungen zu den Wichtigen der Branche, um überhaupt Arbeit zu haben, und um überhaupt nur ansatzweise vom Filmgeschäft leben zu können und die begehrten, doch sehr raren Filmjobs zu erhaschen, ertappt sich der Filmemacher schnell dahingehend, seine Ideale über Bord zu werfen, um dann doch im Gleichstrom der vermeintlich erfolgreichen Filmkonzepte mitzupaddeln.

Man merkt leider schon früh, wer sich in seinen ersten mühsamen Schritten in das Profigeschäft an den Etablierten orientiert. Und mit "etabliert" ist leider nur allzu oft gemeint, die Retorte zu reproduzieren, den gängigen Genremixes nachzueifern und dann genau den Einheitsbrei auf lauer Flamme zu köcheln, von dem der Zuschauer zwar Magenschmerzen bekommt, das Ganze dann aber doch irgendwie herunter schluckt, denn woher die Filetstücke, den Kaviar und den Hummer nehmen, wenn dieser in der kreativen Planwirtschaft quasi nur auf dem "Schwarzmarkt" zu bekommen ist?

 

Eine Science Fiction-Weltraum-Geschichte? Ein epischer Fantasy-Streifen? Ein actiongeladener Horrorfilm? - Hier in Deutschland? Das funktioniert nicht. Dafür gibt es kein Publikum. Machen Sie doch eine Komödie, ein Sozialdrama, oder einen Krimi. Ja, das geht. Das geht immer! Das lieben die Redaktionen. Und natürlich das Publikum. Doch mit den fehlenden Verfilmungen, mit dem fehlenden Vertrauen in neue Stoffe, mit dieser Abwehrhaltung, mit diesem harschen und bornierten "Wir kennen die Zuschauer besser, als diese sich selbst!". Ohne den Mut, sich von dem Status Quo, den sicheren Hafen nicht anzusteuern, sondern gar nicht erst auszulaufen, was bleibt da zurück?

 

Sicher, Film kostet Geld. Nicht allzu wenig. Und hierzulande hat sich leider ein Finanzierungssystem etabliert, bestehend aus Filmförderungen, Sendeanstalten (denen man durchaus die Kompetenz absprechen könnte, über Kinostoffe in den Gremien zu entscheiden, für die es dem geübten TV-Blick einfach der Blick für den großen Screen fehlt!) und nur eine Handvoll Finanziers und überwiegend national denkender Produktionsfirmen, denen es aufgrund dieser Strukturen viel zu selten gelingt, Filme zu produzieren, die international und damit auch wirtschaftlich erfolgreich sein könnten.

 

An dem kreativen Nachwuchs mangelt es sicher nicht, das zeigt sich bei den vielen spannenden Filmbeiträgen, wie sie zum Beispiel auf Filmfestivals wie der Exground in Wiesbaden, den Sehsüchten in Potsdam, den Independent Days in Karlsruhe oder der Genrenale in Berlin, oder wie sie alle heißen, laufen. Diese Festivals nur allzu oft die einzige Plattform für diese Produktionen und die Möglichkeit, Filmemacher mit dem Publikum zusammen zu bringen. Die gut besuchten Filmveranstaltungen sprechen dann für sich, die Menschen dürsten nach abwechslungsreichen, individuellen Stoffen, begeistern sich für die Genrevielfalt, für gewitzte neue Ideen, neue Erzählformen und gerne auch für mehr Subversivität.

 

Chaos hat immer etwas Anziehendes, denn ist dies der Ort für Neuordnungen und das höchste Konfliktpotenzial. Und um Konlfikte, um konfrontative Auseinandersetzungen der Filmfiguren sollte es in guten Filmen schließlich gehen und daher sind solche unabhängigen Filme so wichtig, die diese Wünsche des Publikums schonungslos und konfrontativ erfüllen. Ein cineastischer Duktus, den man bei den systemisch Etablierten leider viel zu oft vermissen lassen. Was schade ist, denn geht auch im deutschen Film viel mehr, als sich dieser oftmals zutraut!

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