"Iss` ein Snickers!" Die Stadt als Marke

Die Silhouette einer Großstadt, die feine Linie, die die Konturen von verschiedenen Gebäuden nachzeichnet, erinnert an den Pulsschlag eines Menschen, visualisiert an einem EKG. Diese Assoziation entsteht nicht grundlos, sondern greift das Thema der Stiftung Die lebendige Stadt raffiniert auf. Denn ging es beim Kongress "Die Stadt als Marke" am gestrigen Donnerstag, 16. September 2016, darum, den Blick darauf zu schärfen, wie man eine Stadt zum pulsieren bringen kann, zu einem lebendigen Miteinander, weg vom Tropf und weg von dieser schwierigen Krankenhaus-Metapher, die den Eindruck vermittelt, dass die meisten Städte kurz vor dem Kollaps oder gar ihrem Exitus stünden. Weit gefehlt, denn zeigten die zahlreichen Vorträge, wie mithilfe eines strategischen Stadtmarketings die Stärken einer Stadt genutzt werden können, um gemeinsam mit den Menschen ihre Marke in den Vordergrund zu rücken, sich im Sammelbecken der gewaltigen Konkurrenz hervorzutun und den Blick auf ihre Stadt zu schärfen.

"Es gibt kaum etwas Reizvolleres, als eine Stadt kennen zu lernen", wusste schon der französische Geograf Philippe Pincheurel. Doch wie geht dies vonstatten? Wie entdecken die Einheimischen, wie die Hinzugezogenen, wie die Touristen einen Ort? In welcher Dauer haben sie Zeit, sich mit Details auseinander zu setzen und wie entsteht ihr Bild von ihrer Perzeption des geografischen Raumes, von dessen Historie und von dessen gesellschaftlichen Bedeutung? Geschichte entsteht durch die Narration, durch die Archivierung, Legendenbildung und ihre Oral History. Künftige Generationen, die nicht persönlich bei wichtigen Ereignissen, Events oder dem profan Erlebten dabei waren, erzeugen ihr Bild durch die Überlieferung - in jedweder Form dies auch geschehen mag.

 

Und so liegt es auch im Ermessen und in der Verantwortung der Altvorderen, sich über die Darstellung, Fragmentierung und Filterung Gedanken zu machen und auch in der Darstellung, der Dokumentation und Archivierung der Gegenwart. Eine Aufgabe, die auch eine Kommune mit zu tragen hat und hier zudem als Steuerungsinstanz fungiert. So kann eine Stadt die Richtung vorgeben, einen Masterplan entwickeln und zum aktiven Markentreiber werden, sie kann die Themen und Inhalte festlegen und die Strukturen schaffen, über die dies gelingen soll. Doch eines ist klar: ohne die Menschen, die dies mittragen, geht es nicht.

"In neun Schritten zur starken Stadtmarke" titulierte Markenberater Peter Pirck seinen Vortrag, der eingängig darstellte, dass Stadtmarketing nur ein Verstärker sein kann von alldem, was eine Stadt zu bieten hat. Um seine Marke voranzutreiben, die idealerweise bei den Menschen das positive Vorurteil einer Stadt oder einem bestimmten Produkt prägt, müssen die richtigen Gelegenheiten geschaffen und diese quasi "ins Schaufenster" gestellt werden. "Volvo ist sicher", "Miele hat eine hohe Qualität", "Hamburg ist schön", "Berlin ist aufregend". Das sind die ersten, dominierenden Assoziationen, wenn jene Beispiele zur Sprache kommen.

 

Machen wir doch gleich den Test: Woran denken Sie, wenn von BMW oder VW, von McDonalds, München oder New York die Rede ist? Sicherlich fällt ihnen jeweils eine tragende Eigenschaft ein, die sich in unseren, und in Ihrem Kopf im Speziellen, verankert hat. Gerade bei einem komplexen und diversem Gebilde wie einer Stadt doch spannend! Dank der menschlichen Eigenschaft, Komplexität auf ein Minimum zu reduzieren, zu filtern, wo dies überall möglich ist, beschränken wir uns auf ganz konkrete Charaktereigenschaften, die, kollektiv gelernt wurden.

 

Und wenn man nun dieses Kollektivwissen steuern möchte? Wie kann dies gelingen?

Am Anfang war die Wort-Bild-Marke... Nicht!

Ein Stadtlogo zu gestalten, das die gewählten und voranzutreibenden Inhalte symbolisiert - das ist sicherlich ein wesentliches Element einer Kommunikationsstrategie. Doch muss sich dieses von den gewählten Themen ableiten lassen, die identifiziert wurden, und nicht umgekehrt. Und die Themen, die kommen natürlich aus der Stadtgesellschaft heraus, nicht aus der Rathaus- oder Stadtmarketing-Tür. Das klingt profan, wird aber leider allzu oft falsch gemacht. Die Stärken einer Stadt sind ihre Menschen, ihre Institutionen, ihre Vereine und ihre (hoffentlich reichhaltige) Kulturlandschaft.

 

Den Fokus auf zentrale Themenfelder zu richten und diese zu transportieren, immer wiederkehrend, gebetsmühlenartig, aber bitte gerne in Variation: dies erhöht den Impact-Faktor und hilft, sukzessive das Bild einer Stadt zu schärfen. Doch ein wesentlicher Faktor, bereits angesprochen, an dieser Stelle aber nochmals betont: partizipatives Stadtmarketing muss die Bürger mitnehmen, wie Professor Dr. Sebastian Zenker von der Copenhagen Business School betonte. Denn raten Sie einmal, welche der folgenden drei Arten von Kommunikation die prägendste ist: 1. die physische Kommunikation vor Ort, 2. Die werbliche Kommunkation oder 3. die Mund-zu-Mund-Propaganda?

 

Wenn Sie auf  3. getippt haben, liegen Sie vollkommen richtig. Die persönliche Empfehlung ist die stärkste Kraft und so sollte die Rolle der Bewohner für ein fruchtendes Standortmarketing niemals unterschätzt werden, die so zu aktiven Botschaftern einer Stadt werden können. Und an dieser Stelle noch der wichtige Hinweis, dass negative Erfahrungen häufiger weiter getragen werden als positive. Wenn die Menschen in Projekte eingebunden sind, werden diese natürlich mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit schlecht darüber sprechen, denn würden sie sich ja selbst kritisieren. Und wer tut dies schon gerne? Richtig...

Für den Unterhaltungsfaktor des Kongresses sorgte dann das Fußball-Urgestein Reiner Calmund, der sich - gesundheitlich angeschlagen - ein augenzwinkerndes Wortgefecht mit Oberbürgermeister der Stadt Köln a. D. Fritz Schramma lieferte. Inhaltlich blieb das Gespräch "Wie kann Sport eine Stadtmarke prägen?" leider recht dünn an der Oberfläche kratzend, degenerierte zu einem Namedropping verschiedener Spitzenfußballer und Privatanekdoten, die nur emotional durchbrochen worden, als das Korruptionsverfahren gegen "Kaiser" Franz Beckenbauer hinsichtlich der Fußball-WM angesprochen wurde und sich Calli ungehemmt auf dessen Seite schlug und einen Persilschein für illegale Geldschiebereinen aussprach. Man müsse schließlich sehen, wie viel Geld hierdurch nach Deutschland gespült worden sei und er könne sich an Zeiten erinnern, als Schwarzgeldkassen noch steuerlich absetzbar waren. Als ehrlicher Steuerzahler kann man dies nur sprachlos zur Kenntnis nehmen.

Die einzige sinnvolle Erkenntnis war, dass Stadtmarketing heute nach dem 3-K-Modell arbeiten sollte: Kompetenz, Konzepte, Kapital. Ein geeignetes Beispiel blieb das Duo leider schuldig. Glücklicherweise lieferten die weiteren Referenten dies nach. So stellte Professor Dr. Bernd Radtke von der Hochschule Aalen dar, dass sich Stadtmarken an den Hidden Champions der Wirtschaft orientieren sollte. Denn neben den geeigneten Verwaltungsstrukturen muss der ganze Spaß natürlich auch irgendwie finanziert werden und sich hier an erfolgreichen Wirtschaftsbetrieben zu orientieren, liegt schon beinahe auf der Hand.

 

Und sich hierbei einer guten Strategie zu bedienen, die einbezieht, was die Menschen wollen, steht einer Kommune ebenso gut zu Gesicht. Immer den Markenkern im Blick. Und so möchte ich an dieser Stelle ein Zitat des Schriftstellers und Werbepsychologen Hans Domizlaff bemühen, der meinte: "Der markentechnische Dilletantismus unserer Zeit beruht nicht auf Ideenarmut, sondern auf dem Mangel an einem kritiksicheren Wissen, das die Spreu vom Weizen trennt." Ein hartes, aber für viele Organisationen geltendes Urteil.

Alles richtig gemacht, oder? Karlsruhe als Best Practice-Beispiel

Dann - an dem sich dem Ende neigende Kongress - präsentierte Karlsruhes Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup den 300. Karlsruher Stadtgeburtstag in seinem Vortrag „Was können wir vom schönsten Stadtfest lernen?“ Nach den bisher theoretischen Vorträgen diente KA300 als Best Practice-Beispiel, wie eine Stadt alle Register ziehen kann, um ein nachhaltiges und in Erinnerung bleibendes Fest zu organisieren und umzusetzen.

 

Hier zeigte sich, dass Karlsruhe bei seinem Stadtgeburtstag viele im Laufe der Tagung geäußerten Forderung der referierenden Markenexpertinnen und –experten bereits aktiv umgesetzt hatte und so mit dem Stadtgeburtstag auch ein großer Beitrag geleistet wurde, Karlsruhe als Marke weiter zu stärken.

 

Aktiv die Bevölkerung einzubinden, die Stärken der Stadt heraus zu arbeiten und emotionale Bilder zu erzeugen und hierfür die geeigneten Organisations- und Verwaltungsstrukturen zu schaffen: all dies wurde beim 300. Stadtgeburtstag geleistet. Der KA300-Pavillon als zentrale Spielstätte für über 400 der insgesamt 600 Veranstaltungen über die 100 Festivaltage, das große viertägige Eröffnungsfestival, die Schlosslichtspiele, die 80 Stadtteilprojekte, die Ideenwettbewerbe, die Schlosslichtspiele oder das Volunteerprogramm: die Vielfalt und Komplexität des Stadtgeburtstags stieß bei den Kongressteilnehmern auf große Anerkennung.

 

Ein wichtiger Faktor für zielorientieres Standortmarketing ist aber gerade auch die Messung des Erfolgs durch eine differenzierte Evaluation, deren Ergebnisse Frank Mentrup im Rahmen seiner Präsentation ebenfalls vorstellte. Über 1 Millionen Besucherinnen und Besucher, 3,7 Millionen Euro eingeworbene Sponsorengelder von insgesamt 42 Unternehmen, ein Medien-Äquivalenzwert von 30.000.000 Euro, eine Steigerung der Freizeittouristen von 20 auf 40 Prozent, deutlich erhöhte Übernachtungszahlen und der Publikumsmagnet Schlosslichtspiele mit 400.000 Zuschauern zeigten, dass sich Karlsruhe als Stadtmarke hervorragend positionieren konnte.

 

Auch die nachhaltige Strategie, viele jener Elemente, die zum Erfolg von KA300 beigetragen haben, bei aktuellen und künftigen Veranstaltungen in Karlsruhe weiter fortzusetzen, vermittelte, dass Karlsruhe die Grundsätze der Stiftung Lebendige Stadt bereit aktiv umsetzt und so im bundesweiten Vergleich ganz oben mitspielt.

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