Tiefsee-Forschung made in Karlsruhe

Stolz warten fünf Tiefsee-Drohnen auf ihren Einsatz.
Stolz warten fünf Tiefsee-Drohnen auf ihren Einsatz.

Wenn man in Richtung des badischen(beinahe noch beschaulichen) Karlsruhe im Südwesten Deutschlands blickt, denkt wohl niemand an die Tiefsee. Hier denkt man vermutlich eher an den Schwarzwald, vielleicht auch noch an die Alpen, die sich in nicht einmal drei Autostunden entfernt auftürmen. Vielleicht denkt man dann auch noch an den Rhein, an dem Karlsruhe direkt gelegen ist und an den Bodensee. Aber die Tiefsee? Dass in den 70er und 80er Jahren im Rheinhafen im Westen der Stadt schon einmal U-Boote von der Firma Bruker gebaut wurden, selbst das weiß wohl kaum ein gebürtiger Karlsruher. Obwohl ein U-Boot, das an die Nordkoreaner verkauft wurde, zu den größten diplomatischen Konflikten zwischen Der Kohl geführten Bundesregierung und den USA führte und so auch in der Bundespresse thematisiert wurde.

 

Und dass heute hochmotivierte Wissenschaftler Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in der Karlsruher Oststadt an einer Tiefsee-Drohnen-Flotte arbeiten, auch das wird wohl leider an einigen Bürgerinnen und Bürgern vorbei gegangen sein. Dass dies Innovationsforschung vom Feinsten ist, die die Erkenntnisse über unseren Planeten weit voran bringen wird, wird nun aber nicht mehr lange im Verborgenen bleiben. Denn nun haben sich  die ARGGONAUTS als einziges deutsches Team in dem mehrjährigen, mit sieben Millionen Dollar dotierten Forschungswettbewerb Shell Ocean Discovery XPRIZE fürs Finale qualifiziert. Wie der Veranstalter, die XPRIZE Foundation, am gestrigen Mittwoch, 8. März 2018, bekanntgab, haben die ARGGONAUTS die dafür notwendigen Kriterien erfüllt – wie auch acht weitere der 19 Halbfinalteilnehmer.

"Wir freuen uns riesig, unter den besten neun zu sein, und arbeiten nun mit neuem Schwung auf das Finale im Herbst hin", sagt Teamleiter Dr. Gunnar Brink. "Es ist noch viel zu tun, aber wir sind zuversichtlich, dass wir mit unseren innovativen Ansätzen auch im Finale einen Spitzenplatz erreichen können."

 

32 Teams aus aller Welt waren im Jahr 2015 angetreten, um sich der Herausforderung des Shell Ocean Discovery XPRIZE zu stellen. Die Aufgabe lautet, den Grund des Ozeans in mehreren tausend Metern Tiefe mit hoher Auflösung zu vermessen, dabei Objekte wie etwa Schiffswracks zu entdecken und Fotos von ihnen anzufertigen – und zwar mithilfe autonomer Systeme.

 

Die schwimmenden Drohnen werden am Ufer gestartet und müssen dann selbstständig agieren, ohne dass Bedienpersonal eingreift. Im Halbfinale mussten die Teams nachweisen, dass ihre Systeme binnen 16 Stunden 100 Quadratkilometer Meeresgrund in 2000 Meter Tiefe kartieren können. "Um diesen Nachweis zu liefern, war unser erster und bisher einziger echter Tiefsee-Test im Atlantik der entscheidende Meilenstein. Wir waren dafür im November zehn Tage in Laredo, Nordspanien, und sind sehr froh und dankbar, dass wir diese Möglichkeit hatten", erzählt Brink. Im Finale werden die Teams in einem Feldtest in direkter Konkurrenz gegeneinander antreten. Sie müssen dann binnen 24 Stunden mindestens 250 Quadratkilometer Boden in einer Tiefe von 4.000 Metern vermessen, ein Objekt finden und prämierungswürdige Bilder aufnehmen.

 

Die gesamte Ausrüstung dafür muss in einen einzigen Standard-Frachtcontainer passen. "In dieser unscheinbar wirkenden Randbedingung steckt der eigentliche technologische Durchbruch", betont Gunnar Brink: "Forschungsschiffe mit einer Mannschaft von Dutzenden Leuten können den Ozeangrund schon lange vermessen, nur ist das schwerfällig und teuer.« Deshalb sei bis heute über die Tiefsee – die fast zwei Drittel der Erdoberfläche ausmacht – weniger bekannt als über den Mars. »Im XPRIZE-Wettbewerb entwickeln wir eine radikal neue, leichtgewichtige Technologie. Sie soll die Kosten um ein Vielfaches senken, so dass die Kartierung und die Erforschung dieses Lebensraums endlich bezahlbar werden."

 

Die ARGGONAUTS setzen dafür auf selbstentwickelte Tauchdrohnen von rund 2,50 Meter Länge, die 'Great Divers'. Jedes der elektrisch angetriebenen U-Boote wird von einem aufblasbaren, ebenfalls elektrisch angetriebenen Katamaran, dem 'Water Strider', zum Einsatzort geschleppt. Dabei arbeiten mehrere dieser kombinierten Über- und Unterwassersysteme im Verbund. "So kann jeder Great Diver gleich mit mehreren Oberflächenfahrzeugen über Schallwellen kommunizieren, was eine sehr präzise Ortung ermöglicht", erläutert Brink. Die Positionsbestimmung ist eine der größten Herausforderungen, weil unter Wasser kein direkter GPS-Empfang möglich ist. "Per Sonar tasten die Great Diver dann den Meeresgrund ab, um ihn zu vermessen. Mindestens eins der U-Boote hat außerdem eine leistungsfähige LED-Blitzanlage und vier Spezialkameras an Bord", so Brink.

 

Um die Tauchdrohnen nach erfüllter Mission – nach wie vor ohne menschliches Zutun – zu bergen und heil zurückzubringen, hat das Team um Brink ein spezielles Recovery-Verfahren entwickelt und patentiert. Der Water Strider zieht dabei ein Fangseil hinter sich her und fährt in einer immer enger werdenden Spirale um den Great Diver, bis er die Tauchdrohne sicher eingehakt hat und sie an Land schleppen kann.

 

Offizielle Kür der Finalteilnehmer in London

 

Offiziell vorgestellt und ausgezeichnet werden die neun Teams, die es ins Finale geschafft haben, im Rahmen der Messe Oceanology International, bei der Schluss-Keynote der Konferenz 'Catch the Next Wave' am 15. März in London. Vortragen wird die Ozean- und Atmosphärenforscherin Dr. Jyotika Virmani, Senior Director bei XPRIZE und Projektleiterin für den Ocean-Discovery-Wettbewerb. Das Finale ist für den Herbst 2018 geplant, der genaue Zeitpunkt und Ort sind noch nicht bekannt.

 

Die XPRIZE Foundation versteht es als ihre Mission, Menschen, Unternehmen und Organisationen zu motivieren, innovative Ideen und Technologien für große Herausforderungen der Menschheit zu entwickeln. Dazu veranstaltet sie aufsehenerregende Wettbewerbe wie den 2007 gestarteten Google Lunar XPRIZE. Der von Shell gestiftete Wettbewerb »Ocean Discovery« ist auf drei Jahre angelegt und endet im Dezember 2018.

 

Die Fraunhofer-Gesellschaft ist die führende Organisation für angewandte Forschung in Europa. Unter ihrem Dach arbeiten 70 Institute und Forschungseinrichtungen an Standorten in ganz Deutschland. Eines davon ist das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB mit insgesamt rund 500 Mitarbeitern in Karlsruhe, Ettlingen, Ilmenau, Lemgo, Görlitz und Peking. Seine Forschungsschwerpunkte sind Industrie 4.0, Informationsmanagement sowie multisensorielle Systeme, die den Menschen bei der Wahrnehmung seiner Umwelt und der Interaktion unterstützen.