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Mein Name ist Solo, Han Solo!

WARNING! This text  contains some SPOILERS!!!

 

Ich muss gestehen, dass ich mich lange Zeit davor scheute, "SOLO - A STAR WARS STORY anzuschauen, zu sehr liegt mir noch das "Episode 8"-Debakel im Magen und zu sehr hatte ich wirkliche Panik, dass ich den Darsteller des jungen Han Solo, Alden Ehrenreich, nicht überzeugend finden würde. In irgendeiner Feuilleton-Kritik einer großen Tageszeitung stand zudem, dass der neue STAR WARS-Film deshalb an den Kinokassen weltweit gefloppt sei, weil er eigentlich nichts zu erzählen wüsste, was uns interessieren würde. Und doch kommt man als Star Wars-Fan, der fast genauso viele Lenze zählt wie die Premiere des ersten Teils A NEW HOPE zurück liegt, zu einem ganz anderen Ergebnis.

 

Der Film beginnt fulminant auf Corellian, Han lebt mit seiner Freundin Qi’ra (unblondiert und doch irgendwie Khaleesi-gleich gespielt von Emilia Clarke) im Armenviertel der Hauptstadt Coronet, träumt von einer Karriere als Weltraumpilot, muss sich aber erst einmal gegen die Schergen rund um Gangster-Bossin Lady Proximas behaupten. So wird gleich zu Beginn des Films die Bedeutung seiner Glückswürfel deutlich und der wache Zuschauer wiegt sich gleich in der wonnigen Sicher- und Zufriedenheit, dass hier das Autorenteam sorgfältiger gearbeitet hat als die anderer, schlechterer STAR WARS-Teile, was bei den Namen Lawrence und Jonathan Kasdan aber kein großes Wunder ist, denn war Lawrence Kasdan ja schon an den besten Teilen der STAR WARS-Serie DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK und DAS ERWACHEN DER MACHT beteiligt. Die Autoren-Filmcredits seines Sohnes lassen noch ein wenig zu wünschen übrig, haben nun aber schon eine stabile Grundlage für weitaus mehr!

Die neue A STAR WARS STORY über Han Solo ist also aus Sicht der Hollywood-Industrie weit hinter den Erwartungen zurück geblieben, zumindest, was den ökonomischen Erfolg angeht. Der Film selbst überrascht durch viele Antworten auf begehrlich ersehnte Fragen über den Filmcharakter des Lonesome Star-Cowboys, allerdings auch auf nicht ganz so heiß ersehnte. So wird tatsächlich in der zentralen Rekrutierungsszene am Raumhafen von Corellian aufgeklärt, dass Han keinen Nachnamen besitzt, da er seine Eltern niemals gekannt hat. Kurzerhand zimmert der Offizier des Imperiums einen solchen zusammen und wir originell, dieser lautet dann treffenderweise SOLO. Dass es George Lucas war, der seinen Charakteren simple respektive profane Namen verlieh, Skywalker schon den gesamten Plot und die Hero´s Journey seines ursprünglichen Protagonisten vorweg nahm, Darth Vader im zweiten Namensteil schon die Vaterrolle andeutete und so eben auch schon in Episode 4 Solo namentlich als Einzelgänger definiert wurde, nun das lässt den Zuschauer dann nur etwas ungläubig schmunzeln ob einer solchen Erklärung des Heldennamens.

 

Doch nun zurück zu den erfreulicheren Eigenschaften des Weltall-Fantasy-Italo-Westerns. Der Film beginnt schmutzig, schmutziger als sonst und führt eingängig vor Augen, was das Imperium in der Zeit seiner Schreckensherrschaft bisher angerichtet hat. Dass es für den Einzelnen schwierig ist, moralisch zu handeln und eindeutig die richtige Seite zu kennen. Damit löst sich der Film von der klassischen, lucas´schen Schwarz-Weiß-Denke und das tut dem Film mehr als gut, denn wird die Galaxy so vielschichtiger, die Charaktere undurchsichtiger und so die dramaturgisch mögliche Bandbreite komplexer, als dies in früheren Filmteilen als möglich erschien, ausgenommen vielleicht in den beiden letzten STAR WARS-Teilen die Figur das alternden Luke Skywalkers, deren Raumnahme sich doch bedauerlicherweise recht kurz darstellte, was sowohl in Episode 7 als auch 8 bitterlich enttäuschte.

 

Sehr originell überrascht der erste Kontakt zwischen Han und seinem künftigen Wingman Chewbacca. Zwar war natürlich schon lange Zeit bekannt, dass die Freundschaft zwischen den beiden daher rührte, dass der durchtriebene Sternenstürmer Solo den bepelzten Wookie aus der Gefangenschaft des Imperiums rettete, Chewies Auftritt kommt dann doch so schnell, so unerwartet und abrupt, dass das Zusehen dieses holprigen Kennen lernens eine wahre Freude ist.

Auch das Staraufgebot überzeugt in der Originalität der Filmfiguren, sei es Woody Harrelson als Hans Quasi-Mentor Tobias Beckett, oder Paul Bettany als Quotenbösewicht Dryden Vos, der die Handlungsmöglichkeiten der Filmhelden durch absolute Brutalität stark einengt und so zu einer Verdichtung der Ereignisse führt. Besonders bemerkenswert die latente Gesichtsmaske, bei derer man sich nicht sicher sein kann, ob dies die vorsichtige Andeutung einer außerirdischen Rasse oder eine schwere Verletzung durch irgendein grausames Getier oder gar eine Kriegsverletzung darstellen soll. Auf alle Fälle potenziert dies den furchteinflößenden Eindruck des finsteren Gesellen unermesslich.

 

Ebenso erfreulich ist die Stippvisite von Warwick Davis als Weazel, den wir in Episode 6 alle als Ewok Wicket ins Herz geschlossen hatten und der dann später im Fantasy-Epos Willow den selbigen spielte. WWW - Zufall oder Teil eines größeren galaktischen Plans? Ebenso charmant als Spielertyp und bisherigem Besitzer des wohl coolsten Raumschiffes der Galaxy ever: Donald Glover als Lando Calrissian. Hier oszillieren Handlungen über die einzelnen STAR WARS-Folgen hinweg auf geniale Art und Weise und in der Verkehrung und vorweggenommenen Repitition so mancher Handlung, die wir chronologisch aus den späteren Zeiten des STAR WARS-Universums kennen, werden die wahren Fans eingelullt in das wohlige Gefühl, dass hier, in all dem Chaos, all dem Leid und Verzweiflung der verschiedenen Rassen und Spezies noch alles in Ordnung ist. Nun ja, vielleicht fast alles!

 

Denn erwähnenswert ist auf jeden Fall noch das Gespräch zwischen Calrissians weiblichem Roboter, L3-37 (Phoebe Waller-Bridge) und Qi’ra über die Rolle der Frau in der Galaxy, die Sprengung der einengenden Ketten und der Sehnsucht nach Freiheit. Hier besteht der Film den Bechdel-Test um Haaresbreite, obgleich es dann doch gleich wieder im Dialog der beiden um Männer geht. Immerhin erscheinen hier die Themen Unterdrückung, die Me too-Debatte und moderne Sklaverei deutlich an der Oberfläche und machen den Film noch aus dieser Perspektive politisch brandaktuell.

 

Und wer sich dafür interessiert, wie der in Lando Calrissians Händen hochpolitierte YT1300-Frachter zur schnellsten Schrottmühle der Galaxy avancieren konnte und wie es dem noch jungen künftigen Captain Solo gelang, den berüchtigten Kessel Run in nur zwölf Parsecs zurück zu legen, der sollte sich diese Star Wars-Story auf gar keinen Fall entgehen lassen.

 

Vielleicht teilt der Film das Schicksal mit Luc Bessons Comic-Verfilmung VALERIAN, der ebenfalls an den Kinokassen scheiterte, den ich aber ebenfalls als einen guten und wichtigen Science Fiction-Streifen erachte: mit hoher Wahrscheinlichkeit interessiert sich die breite Masse nicht für Filme, in denen die rein zwielichtigen Charaktere in den Fokus gerückt werden, in denen die verschiedenen Motivationen nicht eindeutig sind und das profane Publikum dann etwas ratlos zurück gelassen wird, welche Vorbildfunktion denn eine zwielichtige Gestalt wie Han Solo (Die Kinder! Denkt denn bitte mal einer an die Kinder!?) haben könnte, der zuletzt auch noch seinen Mentoren kurzerhand mit laserhändiger Leichtigkeit außer Leben setzt.

 

Da könnte es gut sein, dass der ausstehende aber angekündigte OBI WAN - A STAR WARS-STORY durchaus mehr finanzielle Erfolgspotenziale aufweist, denn mit diesem ausgeglichenen, in sich ruhenden Jedi-Meister ist das Verhältnis zwischen Hell und Dunkel dann vermutlich wieder deutlich ausgeglichener. Dennoch mag man nur hoffen, dass sich Disney nicht allzu sehr beirren lässt, diesen wunderbaren Pfad der Macht wieder zu verlassen.

 

Und zu guterletzt (bei 10 Filmen durchaus angebracht), meine Top 10-Reihenfolge aller STAR WARS-Filme:

 

1. EPISODE 5 - DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK

2. ROGUE ONE - A STAR WARS STORY

3. SOLO - A STAR WARS STORY

4. EPISODE 4 - A NEW HOPE

5. EPISODE 7 - DAS ERWACHEN DER MACHT

6. EPISODE 3 -DIE RACHE DER SITH

7.  EPISODE 6 - DIE RÜCKKEHR DER JEDI RITTER

8. EPISODE 2 - ANGRIFF DER KLONKRIEGER

9. EPISODE 1 - DIE DUNKLE BEDROHUNG

10. EPISODE 8 - DIE LETZTEN JEDI